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Neumarkter Bestatter Pirzer birgt Verstorbene in Kahramanmaras

KAHRAMANMARAS.Julian Pirzer arbeitet normalerweise als Bestatter in Neumarkt, was er aber seit Freitag in der Türkei erlebt, wird ihn noch lange Zeit beschäftigen. Hunderte Tote haben er und weitere Helfer bereits in einem Epizentrum der Erdbeben geborgen. Dabei sind sie hautnah an den Auswirkungen der Katastrophe vor Ort. Im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet er von den aufwühlenden Erlebnissen.

„Wenn der Schutt weggeräumt ist, dann sieht man viele Verstorbene auf ihren Knien. Unter ihnen liegen ihre Kinder, die sie beschützen wollten“, erzählt Pirzer von dem Elend, das ihn seit seiner Ankunft umgibt. Die humanitäre Hilfsorganisation Deathcare Embalming Team Germany ist eine weltweit einzigartige Gruppe aus ehrenamtlich helfenden Bestattern. Sie helfen in Krisengebieten bei der Bergung von Leichen, desinfizieren sie, und nehmen Einbalsamierungen vor. Außerdem unterstützen sie die Polizei bei der Identifizierung vieler Verstorbener.

Massengräber für Unbekannte
Dabei seien viele Menschen nicht mehr zu identifizieren, berichtet Pirzer. Die meisten Verstorbenen seien schwer entstellt und auch die Angehörigen könnten sie nicht mehr erkennen. Oft würden dann DNA-Tests gemacht oder Fingerabdrücke genommen, um die Menschen zuzuordnen. Wenn auch dann keine Identität bestimmt sei, müssen auch bald Massengräber ausgehoben werden, sagt der Bestatter.

„Die muslimischen Waschungen wurden teilweise noch auf dem Friedhof vorgenommen, allerdings lässt das langsam nach. Die Verwesung ist mittlerweile zu weit fortgeschritten“, erzählt der Neumarkter. Über 1000 Verstorbene hat die Gruppe von 16 Bestattern bereits versorgt, in weniger als fünf Tagen. Die meisten, die jetzt vor Ort sind, reisen am Freitag wieder ab. Es wird dann eine neue Gruppe der Organisation kommen, die die Arbeit fortsetzt.

„Ich denke viel darüber nach, dass ich dann wieder nach Hause komme, in meine Wohnung mit warmem Wasser und Strom, in der ich sicher bin. Die Leute hier werden noch lange Zeit in Zelten wohnen müssen, wenn sie nicht bereits zu Verwandten in andere Gebiete gefahren sind“, sagt Pirzer. Ihn beschäftige die düstere Perspektive der meisten Betroffenen sehr, da kaum noch ein Haus in der Stadt stehe und die restlichen schwer beschädigt seien. „In vielen Wänden sind Risse, die einen halben Meter breit sind und über das gesamte Haus gehen“, berichtet er. Dabei sei in der Stadt mit über 600000 Einwohnern bereits die Hilfe angekommen, was aber nicht für alle Ortschaften gelte. „Wir können von hier aus Berge sehen, auf denen noch Dörfer liegen, in denen noch keiner war. Es gibt einfach zu viel zu tun.“

Dankbarkeit und Gastfreundschaft trotz allem
Pirzer erzählt, dass er auch beeindruckt von der türkischen Bevölkerung ist, denn auch im Angesicht des Elends, sind es vor allem Gastfreundschaft und Dankbarkeit, die den Deutschen begegnen. Im Flugzeug habe er sich lange mit einem türkischen Mädchen unterhalten. Als er ihr gesagt habe, wofür er in das Land einreist, habe sie ihm eine Misbaha, eine muslimische Gebetskette, geschenkt, die er seitdem nicht abgenommen hat.

Pirzer und viele weitere aus der Deathcare Germany Gruppe haben vor, in einigen Jahren nach Kahramanmaras zurückzukehren. „Wir wollen die Stadt auch in einem anderen Kontext wahrnehmen. Obwohl es vermutlich Jahrzehnte dauern wird, bis alles wieder steht“, erklärt er. Im Moment ist nicht einmal das ganze Ausmaß der Zerstörungen deutlich und auch noch nicht absehbar, wie viele Verstorbene bis Freitag noch gefunden werden. „Es gibt Schuttberge, die wurden noch gar nicht angefasst. Wenn Familien davor sitzen, fragen wir als erstes, wie viele Menschen vermutlich darunter begraben liegen. Dann suchen wir nach der Zahl der Vermissten.“